Donnerstag, 24. März 2011

Bequeme Mythen und unbequeme Wahrheiten

Durch das Erdbeben und die Atomkraftwerkskatastrophe von Japan wird in den letzten Tagen immer wieder mal an Tschernobyl erinnert. Vielfach fällt dabei - leicht zynisch gemeint - der Satz, dass es die Russen damals "leichter" gehabt hätten mit dem "Freiwilligen", die im zerstörten Kernkraftwerk löschen mussten oder den Betonsarg anbrachten. Sie wurden einfach bestimmt und den Kommandierenden war ihr Schicksal gleichgültig. Dergleichen könne man in einem demokratischen Staat nie machen, also wer soll es in Japan tun?

Gleichzeitig wurde die Geschichte von den "Fukushima 50" kolportiert, 50 Menschen, die sich quasi freiwillig opfern und im beschädigten Reaktor arbeiten, um die Situation zu retten.

Nun hat die Tagesschau ein Interview veröffentlicht, bei dem ich mehrmals nachlesen musste, um es zu glauben. Der Journalist Robert Hetkämper, der für den NDR in Japan ist, wird ob seines Eindrucks befragt, den er von der Informationspolitik und den Berichten über die Katastrophe hat. In dem Interview wird er gefragt, ob Meldungen stimmen, dass unter den "Fukushima 50" auch Obdachlose wären. Darauf enthüllt Hetkämper zwei Details, die einfach unglaublich sind. Zuerst entlarvt er eine erfundene Geschichte:

Die "Fukushima 50" sind eine Legende, die eine ausländische Zeitung erfunden hat. (...) Es waren, nach allem, was man weiß, nie 50. Es waren viel mehr Mitarbeiter, die abwechselnd immer wieder in das Kernkraftwerk gegangen sind.(...) Es sind zum großen Teil auch Leiharbeiter, die dort eingesetzt werden. Der Verdacht lag nahe, dass viele Arbeiter nicht wirklich wissen, was sie da eigentlich tun und sie als Kanonenfutter verheizt werden.

Nachgefragt , worauf sich sein Eindruck mit dem "Kanonenfutter" gründet, berichtet der Journalist erst davon, dass er selbst ehemalige KKW-Mitarbeiter befragt habe, die angaben, dass man ihnen nie gesagt hätte, wie stark die Strahlung bei ihrer täglichen Arbeit sei. Dann kommt der zweite Hammer:

Wir selber als ARD-Studio Tokio hatten vor vielen Jahren schon mal über Obdachlose in den Straßen von Tokio berichtet. Die hatten uns erzählt, dass sie in Kernkraftwerken eingesetzt wurden. Die Leute sind zu ihnen in den Park gekommen, wo sie lagerten, und haben sie dann für gutes Geld angeheuert, Kernkraftwerke zu reinigen. Da sind offenbar auch viele erkrankt. Das wussten wir.

Erinnern wir uns an die Situation in Tschernobyl, die ich oben beschrieben habe.Wer hat gesagt, das "könne man nicht machen"?

Das ganze Interview mit Robert Hetkämper gibt es hier: "Die Fukushima 50 sind eine Legende"

Und mir fällt dazu nichts mehr ein.



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